Der Popstar und sein Rokokopunk

Musical "Falco meets Amadeus" im Berliner Theater des Westens

DER "ECHTE" FALCO starb vor zwei Jahren bei einem Autounfall. Als Musical-Figur ist er jetzt im Berliner Theater des Westens auferstanden. (Foto: ar)

Hätte am 6. Februar 1998 nicht ein dominikanischer Autobus den Weg des Wieners Hans Hölzel gekreuzt, wäre der Mann wohl heute noch am Leben und seine Musik wahrscheinlich vergessen. Doch Hölzel starb, und mit seinem Tod erlebte die Musik von Falco eine Renaissance. Schließlich hatte Hans Falco Hölzel eine Platte hinterlassen, auf der er ahnungsvoll klagt: "Muss ich denn sterben, um zu leben?" So was schreit geradezu nach postumer Mystifizierung.

Regisseur und Intendant Elmar Ottenthal und Autor Burkhard Driest leisten dem nun mit dem Musical "Falco meets Amadeus" am Theater des Westens Vorschub. Was Hölzel, der damals noch nicht Falco hieß, als musikalischer Anfänger 1977 noch nicht gelang, schaffen nun Driest und Ottenthal: Sie bringen Falco in Berlin groß raus. Driests Buch stellt in vielen schlagerhaften Knittelversen immer wieder Falcos Sinnfrage: Wer ist eigentlich Hans Hölzel? Wo steckt hinter der öligen Selbstinszenierung mit Sonnenbrille und Pomade der Mensch? Beantwortet werden diese Fragen indes nicht ? das wäre wohl ein zu schwerer Stoff für ein leichtes Musical.

Hier geht es vielmehr um Erfindung und Vermarktung eines Pop-Mythos, und da holt man sich am Theater des Westens noch Mozart als Gewährsmann ins Team. Nun haben das Genie und der Selbstdarsteller aus Wien nicht mehr gemeinsam, als dass Falco über Mozart den Hit "Rock me, Amadeus" geschrieben hat. Aber wer wird bei einem solchen Musical nach einer schlüssigen Story suchen, wenn der Sound stimmt?

Mozart dient in diesem Spiel bloß dazu, Falcos phrasierten Sprechgesang mit klassischem Streichquartett zu umschmeicheln. Mozarts Greatest Hits von der "Kleinen Nachtmusik" bis zum "Zauberflöten"-Auszug haben nur die Funktion von Zwischenspielen. Freunden der E-Musik mag?s da grausen, Popfans wird?s freuen: Man merkt die Absicht und ist beschwingt. Schließlich gibt?s auch einiges fürs Auge, zeigt das Ballettensemble seinen Jazz-Dance dynamisch und fließend wie in einem überlangen Videoclip.

Falcos Hymnen auf den Hedonismus der achtziger Jahre wirken in der aufgepeppten Musicalfassung erstaunlich frisch. Mehr als ein Dutzend seiner Songs von "Der Kommissar" bis "Egoist" hat Johnny Bertl verarbeitet ? eine geradezu verschwenderische Fülle verglichen mit den vielen modernen Singspielen, in denen ein, zwei Ohrwurmmelodien bis zum Überdruss variiert werden.

Musikalisch stiehlt Falco Mozart also die Schau. So bleibt Amadeus (Joachim Schweizzer) auf der Bühne auch nur noch die Rolle des Rokokopunks. Wir erleben Wolferl, den Zotenreißer, Amadeus, den Narr, der auf Falcos elektrischem Stuhl zappelt und auf einem Mini-Spinett klimpert. Falco hat da ein anderes Format: Axel Herrig verleiht der Kunstfigur eine natürliche Arroganz. Was für eine verblüffende Imitation: Herrig sieht aus wie Falco, bewegt sich wie er und klingt auch so. Besser hätte das Hans Hölzel auch nicht gekonnt.

Dieser Falco hat Kokain in der Nase und den Wahn im ängstlichen Blick: abwechselnd mal Größen- und Verfolgungswahn. In seinem Albtraum schwillt die Mama zur aufblasbaren Übermutter an, während die Band "Jeanny" spielt. Burkhard Driest macht aus Falco schließlich einen Halbbruder von Doktor Faustus und Don Giovanni. Der Sänger schmiedet mit dem Tod (Annika Bruhns) einen Pakt um Glück oder Leben, und am Ende klopft es immer wieder vernehmlich, als stünde der Steinerne Gast vor der Tür.

Ein toller Typ, dieser Falco-Faust-Don-Juan. Und doch singt einer besser als er: Johnny, sein Manager, der auch Falcos Frau schwängert. Martin Moss spielt ihn androgyn und diabolisch und er verleiht den Falco-Songs "Skandal" und "Dance Mephisto" einen neuen Sound: schärfer und aggressiver. So gut wie Hans Hölzel nie war.

Doch das muss Falco nicht kümmern, denn im Himmel spielen sie seine Musik. Was ist die Nummer eins in den US-Hitparaden gegen diesen Triumph als Popgott. Da tanzen die Engel zur Exitus-Ballade "Out Of The Dark". Kitsch in Reinkultur. Das mag uns hienieden zwar wie schiere Höllenqual vorkommen, doch für Falco scheint?s das Paradies zu sein, wie ein ewiger Kokainrausch. Dem Hölzel Hans sei?s gegönnt. Und wenn der Vorhang gefallen ist, bleibt nur noch eine Frage: Wer war eigentlich dieser Mozart?

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