Ganz allein am Flughafen

Anlässlich der F@lco-Show im Ronacher sprach der FALTER mit Edek Bartz, der den Popstar als Tourbegleiter und Aufpasser mehrere Monate lang hautnah erlebt hat. Ein Gespräch über Hans Hölzel und Falco, über Schein und Sein, über Minibars und andere Versuchungen.

Zwei Jahre nach seinem Unfalltod in der Dominikanischen Republik kehrt der Wiener Popstar Hans Hölzel alias Falco auf die Bühne zurück ? als Titelheld eines von Paulus Manker inszenierten Spektakels namens F@lco - A Cyber Show. Aus gegebenem Anlass haben wir den Wiener Musiker (Geduldig & Thimann), Veranstalter und Musik-Kurator Edek Bartz, gebeten, sich an seine gemeinsame Zeit mit Falco zu erinnern.

1985 und 86, nachdem Falco mit *Amadeus* einen Welthit gelandet hatte, begleitete Bartz ihn auf einer ausgedehnten Tournee, die sie durch die deutschsprachigen Länder und nach Japan führte. Tour-Manager Bartz war vor allem für die persönliche Betreuung des eher schwierigen Stars verantwortlich, weshalb sich die beiden zwangsläufig ziemlich nahe gekommen sind. Der Psychoterror, den Falco auf ihn ausgeübt hat, hat Edek Bartz teilweise ziemlich zu schaffen gemacht.

Einige Wochen nach der Tour fand Bartz eine Urkunde im Postkasten, die belegte, dass in einem Wäldchen bei Jerusalem ein Baum namens Edek Bartz gepflanzt worden war ? ein Geschenk von Hans Hölzel. Bartz: " Das hat gezeigt, dass er sich Gedanken gemacht hat. Das hätte ich ihm überhaupt nicht zugetraut."

Falter: Die F@lco - Show im Ronacher geht von der These aus, dass Hans Hölzel mit Falco eine Kunstfigur geschaffen hat, an der er letztlich zerbrochen ist. Ist da was dran?

Bartz: Es war viel simpler: Wie viele Rock- oder Popstars hat er den Unterschied zwischen dem normalen Leben und der Bühne einfach nicht mehr erkannt. Aber als Ansatz hat die These sicher was für sich.

Wie sind Edek Bartz und Falco überhaupt zusammengekommen?

Ich hatte natürlich von Falco gehört, wusste aber eigentlich überhaupt nichts über ihn. Eines Tages rief mich Hans Mahr an, der damals noch für die Kronen Zeitung gearbeitet hat, und sagte, dass er jetzt mit dem Falco arbeitet und dass sie jetzt eine Tournee aufstellen wollen.

Was hat der für eine Funktion gehabt, damals?

Ich glaube, das war eine Art Freundschaftsdienst: Die haben sich ja gekannt, und der Mahr hat ihn halt betreut. Der Falco ist von der Krone ja unheimlich gefeatured worden, war sehr oft auf der Titelseite.

Mahr wollte, dass Sie sich um die Tournee kümmern?

Er hat damals erkannt, dass Falco irgendwie auf eine Bühnendimension gebracht werden muss. So schaut keine Pop-Band aus, wie die ausgeschaut haben. Und auch der Falco hatte nicht den Stil eines wirklichen Stage-Performers, er war eigentlich kein Bühnenmensch.

Erstaunlich. Er war doch immer so slick und so cool und gestylt!

Damals noch nicht so wirklich. Deswegen musste man ihn irgendwie verkleiden. Wir haben die Modedesignerin Brigitte Meier-Schomburg engagiert, die ihn und die Band eingekleidet hat. Die Show war einfach zu schwach, das Ganze wirkte äusserst bieder.

Austopop, oder was?

Ja, du hast immer geglaubt, du bist in einem Austropop-Konzert. Die Liz King, die damals ziemlich frisch in Wien war und gerade mit dem Tanz-Theater angefangen hatte, hat dann mit ihren Tänzern so eine Art Choreographie eingebaut. Dadurch ist es optisch doch noch eine passable Show geworden. Der Erforg war eigentlich riesig. Wir haben in grossen Hallen in Österreich einmal durchgespielt, dann in Deutschland und in der Schweiz ? und dann ist das mit dem *Amadeus* explodiert. Natürlich hat der Falco mit der Zeit auch Routine bekommen, aber den Rock hat er nicht wirklich im Blut gehabt. Er war auch zu dick, ganz schön pummelig.

Ist uns garnicht aufgefallen.

Natürlich ist das nicht aufgefallen! Das war Teil unseres Jobs.

Es ging in erster Linie ums Aussehen, weil er eigentlich gar kein Musiker war?

Ich würde das heute bejahen. Was er wirklich hatte, war Sprachtalent. Ich glaube man kann sagen, dass er einer der ersten Rapper war ? da rede ich aber noch nicht von deutschem Rap, der überhaupt erst später gekommen ist. Seine Stärke waren diese kurzen, fetzigen Textgeschichten. Die Bolland-Brüder wollten aber mehr so elegische Musik wie *Jeanny* machen. Man hat ihn von seinem wirklich starken Sprachwitz weg in Richtung Schlager getrieben. Er hat sich immer mehr von der Musik entfernt, sich stattdessen immer mehr auf die mediale Seite konzentriert; damals ist ja wirklich eine unglaubliche Medien-Maschinerie gelaufen. Das Problem war, dass er sehr intelligent war und sehr genau gewusst hat, wo er hinsteuert. Auf der anderen Seite hat er sich nie viele Gedanken über seine Karriere gemacht und im Zuge dieser Tournee auch gar keine Lust und keine Zeit gehabt, neue Songs zu schreiben. Und natürlich hat er zusehends ein massives Alkoholproblem bekommen.

Haben Sie versucht, ihn vom Saufen abzuhalten?

Das habe ich versucht ? aber er hat mich natürlich immer betrogen. Wir gehen was essen und er muss auf?s Klo. Kaum ist er draussen, schnappt er sich eine Whiskeyflasche und kommt ein paar Minuten später vollkommenbesoffen zurück. Nach dem Konzert in Graz ruft mich in der Früh im Hotel das Zimmermädchen an und schreit "Falco tot! Falco tot! Unten." Ich geh runter, liegt der wirklich in der Lobby am Boden. Wahrscheinlich hat ihn jemand ins Hotel gebracht, und er ist irgendwo umgefallen, hat sich noch irgendwo den Schädel angehaut und ist dann im Blut gelegen. Damals hab ich auch nicht geglaubt, dass er noch viel Leben in sich hat.

Was haben Sie in solchen Fällen mt ihm gemacht?

Das Problem war, dass immer Medien, immer Presse hinter ihm her war. Also haben wir ihn in einem Teppich aus dem Hotel rausgeschmuggelt. Wenn er dann im Bus zu sich gekommen ist, wars ihm irre unangenehm.

Und wenn wir ihn gefragt haben, ob er auftreten kann, hat er gesagt: "Natürlich kann ich auftreten. Wo ist das Problem?" Natürlich wars ein Problem! Also hab ich gesagt, wir können ohne Arzt einfach nicht mehr auf Tournee fahren. Wir haben dann einen engangiert, der hat ihm vor den Konzerten immer das Blut mit Sauerstoff angereichert. So konnten wir ihn über die Runden bringen, ohne ihn mit Chemie zu stimulieren.

Hat man auf der Bühne nichts von seinem Zustand bemerkt?

Wir schon. Aber wir haben ihn praktisch ferngesteuert. Wir haben gesagt: "Pass auf, Hansi! Da vorne ist ein roter Punkt. Den darfst Du nicht überschreiten, sonst fällst Du von der Bühne. Dann singst Du Deine Nummer." So ging das von Nummer zu Nummer, von Auftritt zu Auftritt. Aber wenn er draussen stand, hats funktioniert.

Was war Ihrer Meinung nach die Ursache für das Saufen? War das eine private oder künstlerische Krise?

Ich glaube nicht, dass er private Problem hatte, das hatte schon andere Ursachen. Zum Beispiel hat er angefangen, mir Vorwürfe zu machen. Das Spiel ging so: er sagt, dass er nicht auftritt. Sag ich: "Geh, Hansi, komm, es ist ausverkauft, wir müssen spielen." Und dann hat er gesagt: "Du willst ja nur, dass ich spiele, damit Du Dein Geld verdienst ? und Deine hochgeistige Musik machen kannst." Er hat mich faktisch beschuldigt, dass ich ihn am Leben erhalte, damit ich mir meine jüdische Musik leisten kann.

Heisst das, dass er selbst den Ehrgeiz hatte, eigentlich was anderes zu machen?

Richtig. Für mich war das wirklich tragisch. Diesen Verfall aus der Nähe zu sehen hat mich persönlich sehr berührt. Vor allen Dingen hab ich auch gesehen, wie er sich in eine völlig autistische Welt hineinmanövriert hat. Und ich hab oft mit ihm darüber gesprochen: Was kann man da machen? Plötzlich kam der Rap auf in Amerika. Und ich hab schon gesehen: Hoppla, das wäre natürlich schon interessant für ihn. Nach New York zu gehen oder so. Dass er ein bisschen was hört, ein bisschen was Neues probiert. Eine andere Idee war, dass er mal eine Platte mit Liedern von Hans Albers machen sollte ? um nicht den Druck zu haben immer Hits zu produzieren. Aber obwohl ihn das immer interessiert hat, hat er es nie geschafft, es wirklich umzusetzen.

Sie sind dann noch auf Japan-Tournee mit ihm gefahren.

Ja, sechs Städte, die Konzerte waren alle ausverkauft. Aber er war in einem katastrophalen Zustand. Ich glaube er hat kein einziges Mal das Hotel verlassen. Einmal kommt plötzlich der Hotelmanager zu mir und entschuldigt sich hundertmal: "Sorry, Mister. Sorry!" Sag ich: "Okay, okay, was ist?" Die hatten die Minibar nicht aufgefüllt, Falco hat sich beschwert, und das hat in diesem Nobelhotel zu einem Skandal geführt. Ich geh dann in sein Zimmer, er liegt am Bett, und ich will ein Hemd aus dem Kasten holen. Und plötzlich sehe ich, dass in dem Kasten die Reste der Minibar liegen ? da war nichts mehr. Alles, was drin war, vom Mineralwasser bis zum Wodka, alles war ausgesoffen. Alles! Und sie haben geglaubt, dass sie vergessen haben, die Bar aufzufüllen. Sowas kannten die ja nicht.

Und wie sind die Konzerte gelaufen?

Wirklich komisch war, dass sich die Fans in Japan oft anziehen wie ihr Star. Falco geht also auf die Bühne ? in einem nicht gerade hellen Zustand ? und sieht plötzlich 2000 Falcos, mit Sonnenbrille und allem, die sogar seine Bewegungen mitgemacht haben. Er dreht sich um, geht raus und sagt: "Ich tret nicht auf, hau die Irren raus!" Das Problem war auch, dass er natürlich angefangen hat zu merken, dass der Unterschied zwischen seinem Alter und dem des Publikums immer grösser wird. Faktisch war so ein Konzert schon wie eine Kindernachmittagsveranstaltung.

Und das wirkliche Leben?

Wir kommen in Schwechat an, und alle Frauen der Musiker stehen da ? nur den Falco holt keiner ab! Der steht da ganz allein am Flughafen in Wien. Sage ich:"Hansi, ich bring Dich nachhause." Wir fahren zu ihm in die Wohnung, seine Mutter ist da, und er sagt: "Wo ist das Kind?" Das Kind war bei der Mutter in Graz. Da ist er vollkommen ausgerastet, hat angefangen zu brüllen und zu schreien. Es war wie in so einem B-Movie: Der Star kommt zurück, und es ist niemand da, nur der Star ? und um den scheisst sich kein Hund. Nur seine Mutter steht da und fragt ihn ob er was essen will.

Hat es den Hans Hölzel dann überhaupt noch gegeben?

Er hatte keine Kraft mehr, wirklich entscheidende Schritte zu machen; oder zu unterscheiden: Bühne ist Bühne, Leben ist Leben. Deswegen bin ich nicht so sicher, dass er sich wirklich als Falco stilisiert hat. Das Problem war, dass er das schon war ? aber die Zeit hat natürlich an ihm genagt. Einmal geh ich in der Nacht aus dem Oswald & Kalb, und da liegt er auf einem Schutthaufen ? wie ein Strotter. In diesem Moment war er auch nicht mehr.

Hat man mit ihm überhaupt noch normal reden können, wenn er einmal nüchtern war?

Schon. Er hat sich auf eine Art auch immer bemüht. Aber natürlich ist es zusehends schwieriger geworden, solche hellen Momente noch zu finden. Es war klar, das die Karriere vorbei war. Nicht nur aus Gründen des körperlichen Verfalls. Auch die Zeit hatte sich geändert.

War ihm das auch klar?

Ich glaube, er hat es schon begriffen. Pötzlich ist da ganz rasant eine neue Musik hereingebrochen. Damit konnte er nichts mehr anfangen. Nicht weil er altmodisch war; er hat sich schlicht und einfah nicht mehr damit befasst. Trotzdem hat mich wahnsinnig geärgert, dass nach seinem Tod niemand mehr das Intelligente und Interessante in seiner Sprache und seinen Texten gesehen hat. Alles was geblieben ist, ist eine lächerliche Grabskulptur auf dem Zentralfriedhof. Diese Todessehnsucht, die man jetzt so prophetisch interpretiert, war doch auch schon früher in seinen Sachen drin, weil er einfach ein Selbstzerstörer war.

Andererseits muss er doch ein ziemlich witrziger Typ gewesen sein, Charisma und Charme gehabt haben!

Er war sehr charmant, lustig und so schlagfertig wie niemand in der Branche. Natürlich hat er die österreichische Szene verachtet, das war für ihn indiskutabel, er war auch mit keinem der österreichischen Pop-Künstler befreundet. Und er war irrsinnig wienerisch, auch in seinem Denken, in seinem Schmäh und in seiner Begabung, so schnelle Sprachwitze zu machen. Er hat auch viel gelesen.

Angeblich soll er seine Zukunft eher im Schreiben gesehen haben, in der Literatur. Er war sehr stolz, als ihn die Schule für Dichtug eingeladen hat, was zu machen.

Ich würde so sagen, dass es vielleicht so war, aber dass es nicht machbar war. Du kannst nicht sagen, er war ein Dichter ? dafür war er nicht gut genug. Beim Falco hat letztlich immer die Geldgier gesiegt. Er war auch sehr sparsam, er muss irre viel Geld hinterlassen haben. Sehr, sehr viel.

Hat er nicht viel für Koks und so ausgegeben?

So viel kann man garnicht verkoksen. Ausserdem hat er gewusst, wenn er anfängt zu koksen, ist er bald weg. Also gekokst hat er nicht. Jedenfalls nicht so, dass man sagen kann, da ist das Geld draufgegangen.

Falco ? ein österreichisches Künstlerschiksal?

Er war sicher einer der interessantesten österreichischen Pop-Persönlichkeiten, aber er war eben auch diese tragische österreichische Figur. Und das war genau das, was er nie sein wollte. Er hat sich schon immer in einem internationalen Kontext gesehen.

Hat er erkannt, dass er letztlich eine Nummer zu klein ist?

Ich glaube, insgeheim hat er es gewusst. Wenn Du eine Karriere planst, kannst du ja nicht davon ausgehen, dass du nur Hits erwischst. Du musst irgendwie wissen, wie sich das weiterbewegen soll. Und ich glaube, die Verweigerung war ein Zeichen dafür, dass ihm seine Grenzen insgeheim bewusst waren. Er hat ja auch keine tolle Stimme gehabt, in diesem Sinn. Und nur fesch ausschaun ? dafür war die Zeit vorbei. Da haben alle schon fesch ausgeschaut. Irgendwie war er ein echter Österreicher: wenn du Geld hast, bist du wer. Das war so ein Kleineleutedenken.

Hat er sich dafür auch ein bissl gehasst?

Schon. Weil er eben auch gescheit war. Er hat diese Mechanismen durchschaut, er hat das überrissen. Das, was man mit ihm heute macht, hat er sich wirklich nicht verdient ? das ist wirklich unter seinem Niveau. Dass man ihn faktisch zu einem Kasperl stilisiert und Musicals inszeniert ? ich meine das ist in Wirklickeit kein Musicalstoff! Das passiert in diesem Geschäft doch jeden Zweiten.

© by Falter 12/2000