"Er wusste: Sie werden mich erst lieben wenn ich tot bin"

Runder Tisch. Freunde und Wegbegleiter über das Phänomen FALCO, seinen frühen Tod und wie der Mythos weiterlebt.

Was macht das Phänomen Falco aus? Für NEWS diskutierten Hans Hölzels Freunde und Weggefährten.

· Markus Spiegel, Falcos Entdecker und ehemaliger Plattenboss;

· Rudi Klausnitzer, Intendant der vereinigten Bühnen Wien und Co-Produzent von *Falco-A Cybershow";

· Stephan Friedberg, Ex-BMG-Ariola-Boss und vom Gericht bestellter Sachverständiger für das Erbe Falcos;

· Thomas Rabitsch, Falcos Bandleader, Produzent (*Verdammt wir leben noch*) und musikalischer Leiter der Cyber-Show.

Am Telefon zugeschaltet:

· Hans Mahr, RTL-Chefredakteur und früher Berater Falcos.

NEWS: Zwei Jahre nach seinem Tod blüht das Geschäft mit Falco. Ist das Ausbeutung eines Phänomens oder gar Leichenfledderei?

Klausnitzer: Weder noch. Ob das tatsächlich Geld bringen wird, wird sich erst noch herausstellen. Falco war ein herausragendes Phänomen.

Mahr: Der Hans sagte immer: die Leute werden mich erst wieder so richtig lieben, wenn ich so richtig tot bin. Er hat das vorausgesehen. Aber in keiner beklagenden Weise. Erstens: es ist eine gute, alte österreichische Tradition, das dass, was endgültig tot ist, auch endgültig was wert ist. Zweitens: es ist in seinem Sinne, das dass, was Falco war, auch über seinen Tod Bestand hat. Und wenn damit geschäft gemacht wird, wäre er der Erste gewesen, der gesagt hätte: "Na selbstverständlich!" Ihn kenne viele, und an ihm können daher auch viele mitverdienen. Wem solls denn schaden? Dem Hans nicht, der geht in die Ewigkeit hinein.

Was macht das Phänomen Falco aus? Der Diana-artige Tod?

Mahr: Natürlich hat der kurzfristige Abgang das ganze noch dramatisiert. Aber er war Trendsetter, der für Andere ausgesprochen hat, was gut ist. Daher war seine Position so eigenartig.

Klausnitzer: Er war einer der ersten, die sich ständig neu erfunden haben.

Spiegel: Es verging kein Jahr, wo er sich nicht fragte, wie er trends nutzen und dem noch einen drauf setzen könnte.

Das klingt nach posthumer Glorifizierung: "Er war sowieso unser Grösster und Bester!" Tatsächlich war Falco vor seinem Tod am Boden und verkaufte kaum mehr Platten.

Mahr: Natürlich wird das jetzt glorifiziert. Aber der Mozart ist ja auch im Armengrab beigesetzt worden. Das zumindest hat man dem Hans Hölzel das erspart.

Friedberg: Man kann nichts glorifizieren, das nicht eine enorme Ausstrahlung gehabt hat. Wenn der Joseph Maier stirbt und zwei Jahre danach gibt?s ein Musical, geht keiner hin. Der Hansi Hölzel ist eine enigmatische, rätselhafte Figur. Der Mann hat nie gesagt oder gezeigt, wer oder was er wirklich ist. Die Leute haben ihn nicht erfassen können. Bei Falco ist eine Wucht da, die ist nicht aufzuhalten.

Mahr: Wenn er die Wahl hätte, ob er posthum in Vergessenheit gerät oder posthum Nummer 1 der Hitparaden wird, hätte er sich deutlich für Letzteres entschieden.

Friedberg: Er hätte gevotet, aber gesagt hätte er: "Es ist mir scheissegal."

Wo wäre Falco heute wenn er noch leben würde?

Spiegel: Mit Sicherheit nicht unter ferner liefen. Er war ein andauernd Suchender. Das Grundkonzept der Cyber-Show stammt ja noch von ihm. Ich hätte an Falco weiter geglaubt.

Klausnitzer: Wenn uns Falco hier heute hören würde, würde er unglaublich lachen. Denn eine wesentliche Voraussetzung, um ein Star zu sein, ist, das man sich der Analyse entzieht. Deshalb scheitern wir auch sein Phänomen zu analysieren.

Wie lange kann man das Interesse an Falco am Leben erhalten? Überlebt er die nächsten Jahrzente?

Spiegel: 53 Jahre nach *Der dritte Mann* gibt?s das Harry-Lime-Thema von Anton Kara immer noch. Ich glaube das ein gehöriger Anteil seines Werkes bestehen bleibt.

Mahr: Oskar Werner, den falco sehr verehrt hat, wird's auch immer geben. Man wird seine alten Filme als Kult feiern, seinen Auftritt bei *Columbo*, seine alten Aufnahmen anhören. Falco wird als Phänomen ebenso präsent bleiben, nur sein Werk wird immer mehr in den Hintergrund treten. Bei aller Liebe, aber das Harry-Lime-Thema wird *Rock me Amadeus* nie werden.

Rabitsch: Da bin ich mir nicht so sicher. Wir wollen Falco ein neues Outfit verpassen, ihn weiter entwickeln ohne ihn zu zerstören.

Friedberg: Es gibt keinen Menschen, der Falco interpretieren kann, weil seine Songs nicht zum Singen sind.Das Ganze ist ein Gesamtwerk. Daher ist das Musical eine tolle Sache, weil es dem Werk Falco's neues Leben einhaucht.

Spiegel: Ich prophezeie, was der Rudi Klausnitzer mit der Cyber-Show auf die Beine gestellt hat, wird ein Medienereignis, ersten Ranges.

Mahr: Ein Wahnsinniger wie der Hans Hölzel kann eben nur von einem Wahnsinnigen wie dem Paulus Manker umgesetzt werden.

Kann es nach Musical und Film noch etwas geben, oder ist das Thema Falco dann ausgereizt?

Spiegel: Musikalisch gibt es nichts mehr.

Mahr: Da wäre ich mir nicht so sicher. Dolezal und Rossacher haben ja schon vieles posthum wieder entdeckt.

Klausnitzer: Für mich wäre der nächste Schritt, das sich neue, junge Künstler damit auseinandersetzen seine Musik neu zu interpretieren. Das wäre der nächste Schritt ihn in Richtung Unsterblichkeit zu bringen. Das ist viel besser, als der 100. Falco-Imitator.

Mahr: Wir brauchen icht den fünfzehnten Fendrich und den zwanzigsten Falco. Wir können auch von Österreich etwas schaffen, das in der Welt Bedeutung hat.

Wir haben allerdings gesehen, wie es bei Falco geendet hat: er war eine zutiefst unglückliche Person, die mit sich selbst gehadert hat.

Mahr: Er war nie in seinem Leben glücklich, sagen wir's mal ehrlich. Er hat immer Auf's und Ab's gehabt, am Schluss war es eher ein Ab. Es war kein Tod der wahsinnig schön war, aber welcher Tod ist das schon. Für einen Popstar gibt?s Ärgeres.

Was hat Falco seinen Erben hinterlassen? Die Summe variiert zwischen 12 und 70 Millionen Schilling. Herr Friedberg, wieviel ist es wirklich?

Friedberg: Es ists genau jene Ziffer, die ich ihnen nicht sagen kann, weil ich sie selbst noch nicht weiss. Es liegt sicher dazwischen. Wenn die Cyber-Show in Wien und das Musical in Berlin grossen Erfolg haben, dann ist der deutsche Markt mit Falco neu aufzurollen, der im Moment stagniert. Dann kann auch viel Geld hereinkommen.

Ist es nicht so, das Falco in London oder New York niemanden mehr interessiert, das er ein deutschsprachiges Phänomen bleibt? Ist das Interesse nicht am Schwinden?

Friedberg: Das er auf lange Sicht ein österreichisches Phänomen bleibt, da bin ich mir sicher. Ob er ein deutschsprachiges sein wird, da zweifle ich noch sehr. Das hängt von vielen Faktoren ab.

Mahr: So sehr ich Falco liebhabe und wertschätze: er war immer ein deutschsprahiges Phänomen. Eine Nummer eins in Amerika macht noch kein globales Phänomen. Ein weltweites Phänomen war er nicht. Er hatte einige wunderbare Treffer, aber er war nicht's anderes, als ein deutschsprachiger Künstler.

Kräht noch ein Hahn in Deutschland nach Falco?

Spiegel: Ich wäre glücklich, wenn so viele Hähne noch nach anderen österreichischen Künstlern in Deutschland krähen würden wie nach Falco.

Mahr: Im Moment schlägt ihn nur *Der Anton aus Tirol*.

Rechnet sich eine *F@lco-Cyber-Show* überhaupt?

Klausnitzer: Sicher nicht in dieser Spielzeit, vielleicht bis 2001. Aber wir haben *F@lco* nicht gemacht um Geld zu verdienen, was erst nach einem grossen Erfolg möglich ist, sondern weil wir eine Verpflichtung haben, uns mit dieser Persönlichkeit auseinanderzusetzen, ohne missionarisch zu sein. Das ist auchTeil eines Kulturauftrages.

Wird der Mythos Falco überleben?

Klausnitzer: Solange es dem Mythos gelingt, sich der Analyse zu entziehen, wird es den mythos Falco weiter geben.

Friedberg: Das Rätsel ist das Attraktive. In Österreich wird der Mythos bleiben, in Deutschland ist es etwas ganz anderes. Die können mit ihrer ganzen Mentalität mit ihm nichts anfangen. Nur weil wir ihn bis heute nicht begreifen, ist er interessant. Ich habe nie begriffen,was dieser Mann wirklich ist - ein Scharlatan oder ein Genie? Deppert war er sicher nicht. Das hat mich immer fasziniert. Wenn diese Rätselhaftigkeit bleibt, wird Falco auch noch in zwanzig, dreissig Jahren ein Phänomen sein.

Moderation: Georg Kindel

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