JESUS ROCKT AM KREUZ AMADEUS

CYBER-SHOW. Der erste Blick in Joshuas Sobols geniales Buch:

Gottvater singt Falco-Hits und Schubert will nur eines: "Ficken!"

"Falco ? A Cyber Show" hat keine durchgehende Handlung, sondern zeigt skizzenhaft Falcos Leben und den ständigen Kampf zwischen Hans und seiner mörderischen Schöpfung.

Zu Beginn begrüsst Emcee (der Zeremonienmeister) das Publikum.

EMCEE: Ladies and gentlemen, wir haben uns heute hier zusammengefunden, um einem der grössten Söhne unseres Landes die gebührende Ehre zu erweisen.
Er war ein musikalisches Genie und ein künstlerischer Botschafter Österreichs in der ganzen Welt. Für mich ist er der Wolfgang Amdeus der Popmusik!

Ein stotternder Achtjähriger steht auf der Bühne. Das Kind, Hans, hat nur einen Wunsch: "Ich möchte ei-ei-ein Rockstar werden."
Baby Blue (eine Figur, die Falcos Mutter Maria Hölzel nachempfunden ist) hetzt ihn auf: "Du musst es wollen, Hans!
Uns zuliebe. Deinen zwei toten Brüdern zuliebe. Deinen Zwillingsbrüdern.
Schliesslich bist Du schuld daran, dass sie es nicht überlebt haben. Lass mich nicht im Stich."

Hans Hölzel erschafft mit einem Computer sein zweites Ich: F@lco. Wie Mephisto offenbart ihm sein Cyber-Alter-Ego die Wahrheit: "Für Dich interssiert sich doch kein Mensch."

Hans fällt in Ohnmacht. Es beginnt zu regnen. Jeanny kommt als Krankenschwester in die Szene und versucht, ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Sie singt:

"Komm, Hans, steh auf, bitte. Du wirst ganz nass. Come on, wir müssen weg hier, verstehst Du nicht....."

Falco wird Nummer 1 in Amerika. Die Freiheitsstatue rockt zu seiner Musik, eine MacDonalds-Schachtel springt auf, und der Big Mac darin singt AMADEUS.
Schulmädchen in Tokio, ein Schlangenbeschwörer in Kalkutta, betende orthodoxe Juden an der Klagemauer in Jerusalem ? alle singen AMADEUS.
Selbst Jesus Christus, der am Kreuz hängt.

JESUS: Ich war Superstar, ich war populär. Ich war so exaltiert, because ich hatte Flair.

SCHÄCHER: Er war ein Virtuose, war ein Rockidol. Und alles rief: Come and rock me Amadeus!

GOTTVATER erscheint aus den Wolken und setzt fort.

GOTTVATER: Come and rock me Amadeus!

Falcos Hit geht um die Welt. Doch Hans Hölzel vereinsamt immer mehr. Die Mitglieder der Motorradgang Hells Angels zapfen mit umgebundenen Fleischerschürzen Hans Blut ab. Mit Infusionskabeln und Spritzen füllen sie Blutkonserven, die sie mit Ananasscheiben und bunten Schirmchen schmücken und sie an das Publikum in den Logen austeilen:
"Taste it, es ist Bloody Libre!"

Hans will nur eines: flüchten. Er steht am Bahnhof. Plötzlich beginnen die Koffer und Reisetaschen zu schreien:
"Hans nimm uns mit!" Eine Gruppe ärmlicher Emigranten, in Hut und Mantel, aber barfuß, erscheint. Sie flehen.

ALLE: Nimm uns mit!

HANS: Wer seid ihr? Was wollt ihr von mir?

SCHUBERT: Wir wollen auch Rockstars werden!

Die Männer werfen ihre Hüte und Mäntel ab, darunter tragen sie historische Kleidung und Perücken. Sie entpuppen sich als Beethoven, Bach, Schubert, Wagner, Liszt....

WAGNER: Wir wollen auch berühmt werden! Wir sind genauso gut wie Amadeus.

SCHUBERT: Hans, mit Deiner Hilfe können wir es schaffen.

BACH: Unser Publikum stinkt, schnarcht und ist weit über achtzig.

RACHMANINOW: Ein Alptraum!

BEETHOVEN: Sie schnarchen, husten, und spucken ? und weigern sich zu sterben.

SCHUBERT: Wir wollen ficken, ficken, ficken!

ALLE: Ficken! Ficken! Ficken!

WAGNER: Und dann diese Oberlangweiler, die Dirigenten.

SCHUBERT: Eunuchen!

BEETHOVEN: Weißt Du, was der Chef der Wiener Philharmoniker gesagt hat: " - - "

SCHUBERT: Da fallen einem ja die Eier ab!

LISZT: Was wir brauchen ist ein Bandleader, Frontman!

EIN ANDERER: Sex and Drugs and Rock?n Roll.

EINER: Deine Freunde sind unsre Freunde: Jack Daniels, Johnny Walker.

BEETHOVEN: Wir brauchen Musik, die von unserem Leben handelt. Unserem Blut, unserer Seele.

EIN ANDERER: Unserem Sperma.

BACH: Mit ausgeflippten Titeln.

BEETHOVEN: "Wichs mich Wagner!"

RACHMANINOW: "Suck me, Schubert!"

WAGNER: "Blas mich Beethoven!"

SCHUBERT: "Leck mich, Rachmaninow!"

ALLE: Leck mich, leck mich!

Das Orchester stimmt in Rachmaninows Prelude ein.

HANS: Freunde! Musik ist die Seele von allem. (...) Kühe geben mehr Milch, wenn man ihnen Eure Musik vorspielt. Hennen legen riesige Eier, wenn sie meine Songs hören. Wir sind die Schöpfung! Wollt ihr Geld?

ALLE: Yeahhh!

HANS: Wollt ihr das totale Geld?

ALLE: Yeahhh!

HANS: Blut! Blut! Blut!

ALLE: Bluuuuuuuuuuut!

HANS: Sex!

ALLE: Seeeex!

HANS: Selbstmord, Galgen oder Unsterblichkeit, Ruhm, wie er noch keinem Menschen zuteil geworden ist.

Die Hells Angels tragen einen kleinen Sarg auf den Friedhof. Sie heben den Sargdeckel. Im Inneren liegt eine riesige Flasche Johnny Walker. Hans nimmt sie heraus, öffnet sie und schüttet den Inhalt ins offnene Grab. Er hat mit seinem Leben voll Exzessen und Alkohol endgültig abgeschlossen.

Hans wird Vater. Die Geburt entwickelt sich zum Medienereignis, Journalisten bedrängen ihn mit Fragen: "Haben sie einen Ultraschalltest machen lassen? Wird er auch ein Popstar?" Er verzweifelt immer mehr.

JEANNY: Hans, gib die Flasche her!

HANS: Jeanny, Du treulose, verlogene, verstunkene Lügnerin! Du versprichst mir das Paradies auf Erden. Alles was Dich interessiert ist mein Geld. Mein Ruhm. Falschheit, Dein Name ist Weib! Du geschlechtsloser Zombie. Du bist nur ein ödes, verkrustetes Stück Dreck. Shoppen, shoppen ? und nicht einmal ficken!

JEANNY: Du glaubst wohl, Du bist der tollste Mann auf Gottes Erdboden, was? Du glaubst, dass alle Mädchen nur warten, von Dir aufs Kreuz gelegt zu werden. Aber Du wirst Dich wundern. Du wirst enden, wie Du begonnen hast. Als feiger, räudiger Strassenköter! Mit eingezogenem Schwanz und hängender Zunge. Ein alternder, verrunzelter Popstar. Ein Rex Gildo! Du bist doch überhaupt gar kein Mensch. Du bist ein Zombie! Die Schöpfung eines vom Ehrgeiz und Alkohol zerfressenen Musikergehirns. Ein Körper voll Angst mit einem Gehirn voll Scheisse!

Hans bricht zusammen.

JEANNY: Ich weiss was Dich bedrückt: dass Du nicht David Bowie bist! Das Du nicht Mick Jagger bist! Dass Du nicht Bob Dylan bist! Das macht Dich krank. Und weißt Du, was das Schlimmste ist? Du bist nicht einmal Du selbst!

HANS (schreit ihr nach): Du blöde hässliche alte Jungfer. Du schwachsinnige Gebärmutter. Wenn es nicht wegen unserem Kind wäre, könntest Du schauen wo Du bleibst.

Hans hält sein Kind im Arm. Da eröffnet ihm sein Alter Ego F@lco, dass das Kind nicht von ihm ist. riesige Blutstropfen fallen zur Erde und bedecken Screens und Monitore. Hans beginnt wild um sich zu schlagen und zu schreien: "Du bringst mich um, Du bringst mich um." Verzweifelt stürzt sich Hans auf das Grab, reist den Sarg auf und holt den Whiskey heraus. Er öffnet die Flasche und leert sie in einem Zug. Das verwandelt ihn in eine reisende Bestie. Er fasst einen Plan, wie er seinen Golem F@lco loswerden kann.

HANS: Ich verunreinige ihn, infiziere ihn, verseuche, vergifte, verderbe ihn, beflecke, beschmutze, besudle ihn, entweihe, verpeste, kontaminiere, verunstalte, verstümmle, missbrauche ihn, schände, erwürge, entmanne ihn. (...) Ein Virus! Ein Virus! Ein tödlicher Virus!

Weisser Staub rieselt vom Himmel herab. Es glitzert und glänzt, als ob es Weihnachten wäre. Hans löscht die Festplatte F@lcos. Der Kopf explodiert, löst sich auf. Hans sieht keinen Ausweg mehr. Er flieht auf die Titanic, die schliesslich vor der Dominikanischen Republik sinkt. Doch das Leben in der Karibik wird für ihn zur Qual. Er sitzt in einem Pub. Nur Baby Blue versieht als Bardame ihren Dienst. Hans telefoniert über einen Münzfernsprecher mit Freunden in Europa, doch niemand ist zu erreichen. Wo auch immer er anruft, antwortet ein Anrufbeantworter.

HANS: Hallo Jeanny! Ich bin?s. Ich hoffe Du hast einen guten Flug gehabt. Und eine sanfte Landung. Warum bist Du eigentlich weg? Hätten wir nicht noch eine letzte Chance gehabt? Jetzt bin ich allein auf dieser gottverdammten Luxusinsel. Diesem karibischem KZ mit seinen Luxusvillen mit elektrischem Stacheldraht und deutschen Schäferhunden. Es ist zum Kotzen. Es ist die Hölle! Und ich bin ihr einziger Gast. Die Show ist over. Ich fahre nur mehr mit meinem Jeep durch die Gegend. Und jetzt bin ich hier gelandet. Aber ich habe auch Gesellschaft hier, hörst Du (schenkt sich ein). Dein Nebenbuhler! Er wird mich heute Nacht begleiten. Zu mir. In meine Villa. er wird die ganze Nacht bei mir sein. Und morgen früh wird er mich wachküssen. Sonst habe ich nur mehr den Jeep. Er wartet draussen auf mich, draussen am Parkplatz, und jetzt werden wir.....

TELEFONSTIMME: Sorry, die Aufnahme wurde unterbrochen. Ihre Sprechzeit ist abgelaufen.

Plötzlich läutet der Fernsprecher, Jeanny hebt ab, gibt Hans den Hörer. Am anderen Ende ist F@lco.

F@LCO: Hast Du wirklich geglaubt, Du drückst auf einen Knopf und kannst das Vergangene ungeschehen machen?

HANS: Soll ich mich umbringen?

F@LCO: Geh, Hans, nimm?s doch nicht immer so persönlich. Du fehlst mir.... Komm her zu mir. Dort wo Du hingehörst. Wir werden das beste Essen haben, den besten Wein, die schönsten Weiber. Und wenn Du aufhörst, Dich dagegen zu wehren, wirst Du am Ende das Leben sogar geniessen.

HANS: Ich hätte längst sterben sollen (Out of the dark beginnt).

Auf der Leinwand fährt der Bus, der Hans töten wird, über die Landstrasse. Man sieht Strasse und Bus aus der Perspektive des Fahrers wie in einem Videospiel, in dem der Spieler das Fahrzeug lenkt. Zuletzt sieht man auch den Busfahrer: Es ist F@lco.

Buch: Joshua Sobol. Ab 1. April 2000 im Wiener *Ronacher*. Kartenbestellung: Tel. (01) 514 11-0